lachen

Über mich

Peter Cubasch


Mein Atemweg 

Schon seit Beginn meines Lebens atme ich – und hatte günstige Bedingungen dafür. An der Nordsee aufgewachsen, waren der Wind und das Spiel mit ihm das Natürlichste, mit dem wir Kinder uns beschäftigten: aus dem Kinderwagen heraus die ziehenden Wolken beobachten oder das Spiel der Blätter im Sonnenlicht; am Deich stehen, die Arme ausbreiten und fliegen können; den Möwen und Kiebitzen, diesen großartigen Flugakrobaten, beim Fliegen zuschauen und gefühlt mitfliegen, selbstgebaute Drachen im Wind steigen lassen. Auch wenn ich bei all diesen wunderbaren Aktivitäten kaum einmal ans Atmen dachte, so hat der Wind mich dabei doch immer heftig durchgeblasen und bewegt. Mein meistgeliebtes Spiel mit dem Wind war das Klettern in hohe Bäume. Dort ließ ich mich, fest an einen Ast geklammert, vom Sturm hin und her wiegen.

Heute, nachdem ich mich mit Yoga und Ayurveda beschäftigt habe, weiß ich ein wenig mehr über die fünf Mahabhutas, jene fünf „großen Elemente“, aus denen die physische Welt und auch wir Menschen gemacht sind: Raum/Äther, Luft, Wasser, Feuer und Erde. In der indischen Philosophie werden zwei Arten von Raum unterschieden: der begrenzte Raum des Körpers und der unbegrenzte Raum des Kosmos. Heute ist mir bewusst, dass ich als Kind das Glück hatte, beide Räume und zudem den alles bewegenden Wind, die Luft und den Lebenshauch Atem – im Sanskrit „vāyu“ genannt, intensiv zu erleben.

In allen Schulen, die ich in meiner Kindheit und Jugend besuchte, wurde das Chorsingen gepflegt. So wurden schon in jungen Jahren meine Stimme und mein Atem geschult. Ich sang Madrigale, Motetten, Bach-Kantaten und die Carmina Burana von Carl Orff. Am Ende meines Kieler Musik- und Sportstudiums wollte ich mehr über Chorsingen und Stimmbildung erfahren und ging für ein Semester an die Albert Greiner Singschule/Leopold Mozart Konservatorium nach Augsburg. Dort bekam ich vielfältige Informationen über die Kinderstimme sowie den Vokal- und Lagenausgleich und lernte eine systematische Methode der Kinderstimmbildung kennen: die Albert Greiner Stimmbildung. Mein dortiger Stimmbildungslehrer, Karl Zeller, erzählte uns beeindruckt von Julius Parow, der sich der Erforschung des Atems verschrieben und die Bewegungen seines Zwerchfells in Röntgenbildern festgehalten hatte. Damals sah ich erstmals ein lebendiges, sich bewegendes Zwerchfell und kaufte mir mein erstes Atembuch: „Funktionelle Atemtherapie“ von Parow.

Karl Zeller war es auch, der mich als Assistent zu einem „Stotterer-Kurs“ mitnahm. Er unterrichtete dort nach der Methode des Wiener Pädagogen Oskar Fitz, Autor des Buches „Schach dem Stottern“. In seiner heiteren und anschaulichen Weise, den Jugendlichen die richtige Atmung und Stimmgebung nahe zu bringen, betrachteten wir auf einer nahe gelegenen Wiese die großen Bäuche der Kühe, um die Atembewegung beobachten zu können. „Schaut mal, wie die atmen“, sagt er. „Für die ist es leicht, so zu atmen, die stehen ja auf allen Vieren. Wir Menschen haben uns aufgerichtet und das richtige Atmen verlernt. Geht doch auch mal auf alle Viere und atmet wie die Kühe.“ Und so atmeten wir lachend auf allen Vieren, bis Karl Zeller sagte: „Und - habt ihr schon mal eine Kuh gesehen, die stottert?“ Jetzt mussten wir noch mehr lachen und probierten aus zu muhen, wie eine Kuh: den Kopf heben, die Kehle lang machen und aus der Tiefe des Bauches tönen.“ Mmmuuuhhhh“. Herrlich, frei, lustvoll - und wie wirkungsvoll war das!

Meine nächste wegentscheidende Begegnung mit dem Atem hatte ich während meiner Ausbildung in Integrativer Leib- und Bewegungstherapie am Fritz Perls Institut. Wir waren  verpflichtet, neben der 150-stündigen Lehrtherapie eine mindestens 50-stündige Körpertherapie zu machen. Die eher hefigen damals gängigen Therapiemethoden, die auf der Sehnsucht nach körperlicher und emotionaler Befreiung beruhten – Bioenergetik, Rebirthing oder Holotropes Atmen – hatten wir in vielen Varianten in der leibtherapeutischen Ausbildungsgruppe bereits erlebt. Eine sanfte, weniger spektakuläre Methode wie Atemtherapie war Anfang der 80er Jahre eher unbekannt. Uns wurde die Atemtherapie nach Ilse Middendorf empfohlen, da sie ganzheitlich sei. Von da an ließ mich die Faszination für den Atem nicht mehr los. Ich bemerkte, dass es darum ging, sich auf einen Atemweg zu begeben, dass es darum ging, den Atem in seinem Wesen zu begreifen und dabei sich selbst kennenzulernen.

Am Orff-Institut in Salzburg, wo ich in jener Zeit tätig war, hatte ich die Möglichkeit, im Rahmen der Sprecherziehung die Atem- und Stimmarbeit von Coblenzer/Muhar kennenzulernen. Im Bewegungsunterricht wurde ich auf die wunderbaren Bücher von Dore Jakobs: „Bewegungsbildung – Menschenbildung“ und „Die menschliche Bewegung“ hingewiesen, in denen sie präzise und einleuchtend den Zusammenhang von Atem und Bewegung beschreibt. Immer mehr erfuhr ich über die hohe Qualität der Körperarbeit und auch des politischen und antirassistischen Engagements einiger bedeutenden Frauen wie Elsa Gindler, Dore Jacobs, Charlotte Selver, Carola Speads und Ruth Cohn, die sich alle auf ihre Weise mit dem Körper, der Bewegung, der Sinnlichkeit und mit dem Atem beschäftigt hatten.

Während eines Musiktherapieseminars bei Gabi und Tonius Timmermann machten die beiden mich auf Herta Richter und deren Atemausbildung in München aufmerksam. An einem Schnuppertag lernte ich das Atemhaus München und Frau Richter sowie ihre Mitarbeiterinnen kennen – und war begeistert: Das war´s! So hatte ich den Atem, meinen Atem noch nicht erlebt. Ich spürte, wie Herta mit vollem Herzen beim Atem und zugleich beim Menschen war.

Aus dieser ersten Begegnung ist eine lange Lehrzeit und Zusammenarbeit mit ihr entstanden. Sie war stets unterstützend und auch mal kritisch: „Peter, was machst du?!“, fragte sie mich irritiert, als sie erfuhr, dass ich Lachyoga mit dem Atem zu verbinden versuchte. Aber sie hatte auch Interesse daran und sogar Verständnis für „meinen Weg“, wie sie es nannte. Für mich war Herta Richter ein Vorbild - in ihrer doppelten Herzlichkeit für den Atem und die Menschen und in der Art, wie sie unterrichtete und zum Unterrichten anleitete. Nie ging es um das Erlernen von Atemtechniken oder eine Aneinanderreihung von Atemübungen. Ihre Atemstunden erschien mir eher so, als ob ein Maler irgendwo auf einer Leinwand zu malen beginnt …. dann hier und dort weitermalt …. und am Ende steht man staunend und ergriffen vor einem großen und schönen Kunstwerk, das man gerade eratmet hatte. Jede Stunde war anders und jede wurde zu einem Meisterwerk. Mein großer Dank gilt also ihr, ihren Mitarbeiterinnen und indirekt auch ihren Lehrern, Cornelis Veening und Johannes-Ludwig Schmitt, die Herta Richter beide sehr verehrte.

Mein Weg zum Lachyoga ist eng verbunden mit der Atemarbeit. Ich war enttäuscht, wie wenig Menschen sich für den Atem interessierten oder abwinkten: „Ich bin zwar nicht ganz gesund, aber atmen kann ich noch“, hörte ich immer wieder. Als ich im Jahre 2002 einen Zeitungsartikel zum Lachyoga „Lachen kann man nun auch lernen“ las und Informationen über seinen Begründer, Madan Kataria bekam, ging mir ein Licht auf: Lachen hat mit atmen zu tun. Man kann nicht lachen, ohne zu atmen. Vielleicht würden sich die Menschen eher für das Lachen interessieren und so zum Atem finden. Und so war es auch: Mit Lachyoga erreichte ich viele Menschen.

Im Rahmen meines Psychotherapie Masterstudiums schrieb ich eine Arbeit über das Lachen in der Psychotherapie und verfasste mehrere Artikel über den Zusammenhang von Lachen und Atem. Manchmal darf es eines langen Atems, um das Eigene zu finden. Schließlich wurde ich mit dieser Thematik zu großen Kongressen wie den Lindauer Psychotherapiewochen oder den Tagen für Körpertherapie und Körperkunst nach Bad Gleichenberg eingeladen.

Vor einigen Jahren rückte dann das Gähnen in den Mittelpunkt meines Interesses. Ich schrieb dazu zwei Bücher. Das Gähnen hatte ich schon in der Stimmbildung und in der Atemarbeit kennengelernt. Aber beim Lachyoga fiel mir auf, dass die Lachenden besonders häufig Gähnreflexe zeigten – und häufig verschämt, aber vergeblich versuchten, diese zu unterdrücken. Was hat es auf sich mit dem Gähnen? Warum gähnen Babys und Tiere so oft? Wodurch wird es ausgelöst? Warum wird es so negativ bewertet? Wie hängen Gähnen und Atem zusammen? Diese Fragen stellte ich mir - und kann mich nun einen „Gähnexperten“ nennen, der das erste Buch zu einer systematischen Praxis des Gähnens verfasst hat.

Erst in meinen späten Jahren habe ich zum Yoga gefunden. Eine Ayurvedakur weckte mein Interesse und ich schaute mich nach Yoga-Büchern um. Eines sprach mich besonders an: „Ayurveda Yoga“ von Reinhard Bögle. Ich las darin und in meinem Körper begann es zu arbeiten, besonders bei dem Kapitel über die Blutgefäße, Lymph- und Nervenbahnen. Ich kannte meinen Körper und den Atem doch schon so gut. Gab es da noch etwas Anderes zu erfahren und zu lernen? Ja, das gab es, und ich lernte es in der Yoga-Ausbildung am Yoga Forum München kennen: Es war insbesondere der Zusammenhang von Bewegungsplanung und Steuerung und Ausführung und das Wissen über den Zusammenhang von Neurobiologie und Yoga. Ich bekam auch einen neuen Zugang zum Atem, denn in dieser Yoga-Ausbildung ging es nicht primär um Pranayama Atemübungen, sondern darum, bei jedem Üben und in allen Positionen den Atem ungestört dabei sein zu lassen. In eindrücklicher Weise erfuhr ich, wie sehr eine gute Aufrichtung, zu der die Übung verschiedener Asanas führten, meinen Brustkorb in eine Form brachte, die das Atmen erleichterte.


PETER  CUBASCH                                                                                                                                         Studium der Sportwissenschaften, Musikerziehung und Pädagogik (Universität Kiel)                                            Studium der Musik- und Tanzerziehung (Orff-Institut Mozarteum, Salzburg)                                                        Ausbildung in Integrativer Therapie (FPI/EAG; DUK Krems, MSc; Psycho-, Leib- und Musiktherapie)        Ausbildung in Atemtherapie  (Atemhaus "Herta Richter", München)  Lehrgänge bei Ilse Middendorf              Ausbildung in Lachyoga bei Dr. Madan Kataria (Mumbai 2002 und Kerala 2006)                                                  Ausbildung in Ayurveda Yoga (Yoga Forum München) und Yoga Nidra                                                           Lehrer im Schuldienst des Landes Schleswig-Holstein                                                                                                Universitäts-Lehrer am Orff-Institut /Mozarteum Salzburg (1984 - 2005)                                                              Lehrtherapeut und Supervisor an der Donau-Universität Krems (DUK) 2008 - 2021)                                            Lehrauftrag im Masterlehrgang Musiktherapie an der Universität der Künste, Berlin                                        Lehrauftrag im "HIPS" Lehrgang für Reittherapie sowie im Lehrgang "Natur-Therapie" an der Hochschule für Agrar- und  Umweltpädagogik, Wien                                                                                                                      Member of International Breathwork Foundation  (IBF)                                                                                                                                                               
Seminarleitung in China, Taiwan. Polen, Ungarn, Tschechien, Portugal, Holland und D-A-CH                            Workshop, Vorträge und Teamtage bei SPAR Austria, HYPO Bregenz, DOKA, Internationales Seminar für körperbezogene Psychotherapie Körpertherapie und Körperkung Bad Gleichenberg, Lindauer Psychotherapiewochen, Schmerzkongress NÖ, Seminarreihe zum Thema "Lachen, die beste Medizin" bei der NÖGKK, "Häuser zum Wohnen"  Wien, pro mente Akademie, AMS, Münchener Rückversicherung, Hygiene Kongress Klagenfurt, Hospiz Bewegung Österreich, Internationale Pädagogische Werktagung Salzburg, Krankenanstalten Liechtenstein, LEICA; Lehrgänge in St. Virgil Salzburg, Haus Gutenberg Linz; Haus der Begegnung Innsbruck u.a.m.                                                                                                                                                                                                                                                                                                              Autor der Bücher:"LACHEN VERBINDET" (2017), "GÄHNEN"  (2019) und "DIE KUNST DES GÄHNENS" (2021); "Hand aufs Herz - IDIOPRAXIE. Die heilsame Karft der Selbstberührung..." (zusammen mit Markus Böckle; erscheint Herbst 2024); "ABENTEUER ATEM" erscheint Herbst 2024   
Gründer und Leiter der Wiener Atemschule und des Lach- und AtemForums Austria       
KONTAKT:  Grüngasse 13/5, 1050 Wien.       Tel.: 0043 676 347 8558         Mail: peter@cubasch.com